Osterglocken blühend in leuchtenden Gelb auf der Wiese

Baudenkmäler Seeheim

Baudenkmäler und Künstler in Seeheim 

Eine vergleichbare Entwicklung wie Jugenheim nahm auch Seeheim im dritten Drittel des 19. Jahrhunderts. Eine Fülle von sehenswerten Villen aus dieser Zeit und anderen Baudenkmälern aus verschiedenen Epochen reizen zu einem ausgedehnten Streifzug von etwa 1 Stunde.

Seeheim´s Altes Rathaus am Sebastiansmarkt


Man beginnt den Spaziergang am „Neuen Rathaus“, einem ehemaligen Schulgebäude von Architekt Eckard Vonholdt aus der Zeit des Jugendstils, dessen damaliges Zentrum bekanntermaßen in Darmstadt lag. Links vom Rathaus findet man den Georg-Kaiser-Platz, genannt  nach dem renommierten expressionistischen Dramatiker, der von 1908 bis 1918 in Seeheim wohnte und arbeitete. In dieser Zeit entstand eines seiner bekanntesten Werke: „Die Bürger von Calais“, 1917 uraufgeführt in Frankfurt am Main.

Man geht Richtung Darmstädter Straße und kommt am Fußweg „Schulpädche“ an einem Brunnen vorbei, der unbedingt besichtigt werden sollte. Es handelt sich um ein Werk des Bildhauers vom Bodensee, Peter Lenk, dem „Hofnarr der Republik“, wie die bekannte Tageszeitung TAZ am 19.09.2008 mit viel Ironie schrieb. Ein schönes Erinnerungsfoto sollte nicht vergessen werden: Die „Lustigen Zeitgenossen“ haben nichts dagegen, wenn man sich zu ihnen setzt. Der Künstler hatte ursprünglich einen anderen Namen gegeben: „Stau in Seeheim-Jugenheim (auf der A 5) – Touristen, die sonst nicht nach Seeheim-Jugenheim gekommen wären“.

Am Sebastiansmarkt steht links ein alter Sandsteinbrunnen, der höchstwahrscheinlich als Viehtränke diente, als auf der Bergstraße noch reger Verkehr mit Pferdefuhrwerken herrschte. Die Landfrauen pflegen den Brunnen und schmücken ihn liebevoll zweimal jährlich zu Weihnachten und Ostern. Ehe man weiter geht, sollte man die protestantische Laurentiuskirche aus dem 13. Jahrhundert mit mehrfachen Erweiterungen anschauen. Die Reformation hielt bereits 1540 Einzug in Seeheim.

Man geht die Villastraße bergauf und findet linker Hand ein eindrucksvolles Fachwerkhaus, den ehemaligen Sitz des Amtmannes von Seeheim. Aus diesem Hause stammt Freiherr Friedrich August von Lichtenberg, der später zum Staatsminister in die Dienste Ludewigs I. des ersten Großherzogs zu Hessen und bei Rhein am Anfang des 19. Jahrhunderts berufen wurde.

Man geht weiter bis zum Parkplatz, steigt die Treppe hinauf und gelangt zum Goldschmidts-Park mit einer Villa, die die Gemeinde 1969 von der Goldschmidt AG, Essen, erwarb. Ursprünglich erbaute Major Hahn die Villa im Jahre 1870. Das Haus erfuhr im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrere Umbauten nach Plänen berühmter Architekten (G. von Seidl, F. Schumacher). Nach der Zerstörung durch Kriegseinwirkung 1942 erfolgte der Wiederaufbau durch die Firma Goldschmidt, wie er bis heute weitgehend erhalten ist. Man schlendert durch den Park im Stil eines englischen Landschaftsgartens mit exotischen und einheimischen Gehölzen, wie Mammutbäumen, Edelkastanien, einer Trauerbuche gigantischen Umfangs bis zum Südosttor, verlässt den Park und wandert rechts den Domweg bergab. Man gelangt erneut zur Villastraße und geht nach links in die Albert-Schweitzer-Straße. Gegenüber der Einmündung sollte man einen Blick auf die Villa (Haus-Nr. 8) werfen, ein Jugendstilgebäude des Architekten Albin Müller, seit 1908 Leiter der Darmstädter Künstlerkolonie. Albin Müller wohnte einige Wochen in einem der beiden Wachthäuschen des Schlosses.

Die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, das milde Bergstraßenklima und nicht zuletzt die Anwesenheit von gekrönten Häuptern im Seeheimer Schloss bewogen sicherlich wohlhabende Gewerbetreibende, Beamte und Pensionäre, ihren Wohnsitz in Seeheim zu suchen. Im Villenviertel, das man nun durchwandert, findet man eine Fülle von sehenswerten historischen Landhäusern, die aus der Zeit zwischen 1870 und 1914 stammen.

Der Stil der Häuser orientiert sich oft an historisierenden Vorbildern aus der Zeit der Gotik, der Renaissance (wie das Haus Nr. 4 – der Architekt ist unbekannt) oder des Klassizismus‘. Das Haus Nr. 14 wurde von Eckard Vonholdt gestaltet. Man geht bis zum Ende der Albert-Schweitzer-Straße, einige Schritte bergauf bis man links in die Karolinenstraße einbiegt. Man schlägt einen „Bogen“, betrachtet die schönen Gärten und Villen, geht bergab bis zum unteren Ende der Karolinenstraße und biegt nach rechts in die Philipp-März-Straße ein, die im weiteren Verlauf Bergstraße heißt (die historische „strada montana“). Auch hier trifft man auf interessante Häuser. Zuletzt öffnet sich die Straße rechts in den geräumigen Hof des ehemaligen Hotels „Hufnagel“, das bereits 1865 erbaut wurde. Leider schloss das renommierte Haus im Jahr 1981. 

Nach wenigen Schritten ist der Rundgang beendet.

Textzusammenstellung: Karl Listner
Redaktion: Jürgen Eck, Museumsverein Seeheim-Jugenheim
Textgrundlage: Heimatbuch Seeheim-Jugenheim 1981